1 jonglierender Mönch, 2-Felder-Ball und 255 Zahnbürsten

14 01 2013

Mit einem Rückblick in das alte Jahr melde ich mich nach einer schöpferischen Schaffenspause wieder zu Wort. Dort brachte ich in Kambodscha einem Mönch das Jonglieren bei und bezahlte an einem Tag knapp 450 Euro an der Kasse eines Bücherladens.

Doch der Reihe nach… schon bevor es auf große Reise ging, überlegte ich, ob ich wirklich eine so lange Zeit einfach „nur“ reisen will oder zwischendurch auch arbeiten gehe. Was?! Arbeiten??? Die selbst freigeschaufelte Zeit wieder mit Arbeit füllen? Ganz genau! Als Reisender sieht man oft nur einen kleinen, meist für Touristen noch aufbereiteten Teil des Landes, der selten der Realität entspricht. Die Menschen lernt man da schon viel eher wirklich kennen, wenn man beispielsweise mit ihnen gemeinsam arbeitet. Da ich das Ganze mit einem gemeinnützigen Charakter verbinden wollte, war der Plan für einen Freiwilligendienst geschmiedet. Mit Kambodscha hatte ich dann auch schnell ein Land gefunden, das sich für einen Freiwilligendienst anbietet: Es liegt im Human Development Index der Vereinten Nationen (einer Art Wohlstandsindikator) auf Platz 139 noch hinter ein paar afrikanischen Ländern, beheimatet aufgrund in der Erde versteckter Landminen die meisten amputierten Menschen der Welt und wurde durch den Völkermord der Roten Khmer enorm geschwächt. Die guten Nachrichten sind aber unheimlich freundliche, aufgeschlossene und junge Menschen: Das Durchschnittsalter liegt bei 22,9 Jahren! (Zum Vergleich: In Deutschland sind es 44,9 Jahre.)

Um das, was ich die letzten Jahre gelernt habe, weiterzugeben und selbst nicht ganz aus der Übung zu kommen, wollte ich Kinder und Jugendliche unterrichten. Im Vorfeld wurden dann nur die wichtigsten Rahmenbedingungen per E-Mail geklärt, es sollten Sport-Workshops in einer NGO („non-governmental organisation“ = Nichtstaatliche Organisation) in Siem Reap werden. Alles andere würde sich vor Ort sowieso anders als vorher überlegt erweisen und so war es dann auch: Aus ursprünglich 4 Gruppen mit je 10-15 Kindern gleichen Alters sind es dann 2 Gruppen mit etwa 20-25 Kindern völlig verschiedener Altersstufen geworden (6-jährige neben 15-jährigen). Da die meisten Kinder jünger als erwartet waren, sind aus geplanten Fitnesseinheiten und Dehnübungen kurzerhand eine Reihe kleiner Lauf- und Ballspiele geworden. Aber in unerwarteten Situationen wie Rumpelstilzchen aus Stroh Gold zu machen ist ja bekanntlich das Handwerk des Lehrers 🙂

Großer Spaß beim Spiel „Kotzendes Känguru“

Der „gordische Knoten“ wurde aufgelöst.

Erwärmung im Kreis

Das Laufspiel „Versteinerte Hexe“

Spaßolympiade: „Basketball“

Spaßolympiade: „key in bottle“

Vor allem vom in Deutschland ebenso beliebten Zwei-Felder-Ball in allen Variationen konnten die Kids kaum genug kriegen. Aber nicht nur Spiele waren der Renner. Unabhängig vom Talent haben alle Kinder mit großer Hingabe zu jonglieren versucht: Als Hobbyjongleur war es mein Ziel, dass einige der Schüler nach meinem Besuch fähig sein sollten mit 3 Bällen zu jonglieren. Wie es meistens der Fall ist, waren einige recht begabt, andere schienen erstmals Bälle zu werfen und zu fangen 😉 Als krönenden Abschluss meines Aufenthalts gab es für alle Kinder schließlich eine große Spaß-Olympiade.

Jonglieren: Anfänger

Jonglieren: Fortgeschrittene

Das Ganze hätte ich zwar an jedem Ort der Welt durchführen können, aber wirklich faszinierend waren die (schlechten) Bedingungen: Es gab weder Bälle noch Felder mit Linien noch sonstiges Equipment, das man für einen Sportunterricht oder Jonglier-Workshop bräuchte. Aber… da es eine dreckige und staubige Gegend war, hatten wir jede Menge Sand: Also ein paar Luftballons besorgt, mit Sand gefüllt und Abrakadabra… schon hatten wir Jonglierbälle zum Üben. Ein paar der Bälle wurden nur leicht gefüllt und dienten anschließend für alle möglichen Wurfspiele. Die dazu nötigen Felder hatten wir durch im Sand gezogene Linien aber schnell hergezaubert… eben aus Stroh Gold machen, aber es hat hervorragend funktioniert. Schwieriger war da schon die Kommunikation: Vor allem die kleinen Kinder haben kaum Englisch gesprochen und wenn man jemandem etwas erklären will, der kein Wort der eigenen Sprache versteht, kann das eine echte Herausforderung sein. Zum Glück hatte ich aber die meiste Zeit einen persönlichen Assistenten, der auf Khmer übersetzen konnte. War ich auf mich allein gestellt, endete es in einer spaßigen Hand-und-Fuß-Kommunikation 🙂

Noch ein paar Worte zur NGO, bei der ich mich sehr heimisch gefühlt habe. Sie heißt „Human and Hope Association“ (kurz HHA) und besteht aus 10 Freiwilligen, die tagsüber ihrem normalen Job nachgehen. Nachmittags unterrichten sie dann in ihrer eigentlichen Freizeit mit viel Fürsorge momentan 224 Kinder aus der Nachbarschaft, um ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Hier stellt sich HHA selbst vor:

http://www.youtube.com/watch?v=btGOJ3oDJZw

Nun folgt die Überprüfung, ob ihr euch das Video aufmerksam angeschaut habt: Wer war mein bester Schüler beim Jonglier-Workshop? Du weißt es nicht? Dann schaue dir das Video noch einmal von vorn an. Du weißt es? Dann lies weiter 🙂 Es war Hen. Hen ist Mönch und hat fast alle Dinge, die ich mit den Kindern durchgeführt habe, selbst mitmachen wollen, so auch das Jonglieren. Er hat, wie im Video zu sehen, eigentlich immer gelächelt und war die oben erwähnte Person, die mir während meiner Zeit bei HHA assistierte. Hen hat die Organisation vor anderthalb Jahren gegründet und leitet sie seitdem mit viel Eifer. Es war super interessant, mit ihm zusammenzuarbeiten und einiges über einen Mönch zu erfahren. Dementsprechend haben wir uns mehrfach verquatscht, einmal fast mit schwerwiegenden Folgen… Für Hen gehört es als Mönch dazu, die letzte Mahlzeit am Tag vor 12:00 Uhr einzunehmen. Als wir auf einmal feststellten, dass es schon 11:45 Uhr ist und er noch kein Mittagessen hatte, habe ich den sonst in sich ruhenden Hen auch mal ganz schön hektisch erlebt 😉 Neben der Arbeit für HHA zieht Hen nebenbei noch ein Adoptivkind groß. Der Junge ist 5 Jahre alt und wohnte eigentlich nur ein paar Straßen weiter, wo er von seinen trinkenden Eltern aber geschlagen statt mit Liebe behandelt wurde. Als Hen das mitbekommen hatte, konnte er es nicht ertragen und da die Eltern selbst auch noch der Meinung waren, dass es für das Kind besser wäre, nicht in so einem Zuhause aufzuwachsen, hatte Hen den Jungen unter seine Fittiche genommen. Ich bitte um mehr Menschen von diesem Schlag auf der Welt!

Auf dem Hof vor diesem Tempel waren wir sportlich aktiv.

Da die anderen Freiwilligen von HHA für ihre Schüler ebenso viel Zeit und Mühen opfern, hat mich das zu Folgendem bewogen: Seit 2 Jahren bin ich selbst gemeinsam mit ein paar Tischtennisfreunden ehrenamtlich tätig, um Spenden für benachteiligte Menschen zu sammeln. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass Spendengelder bei HHA genau an der richtigen Adresse sein würden, habe ich dann auch unseren ersten internationalen Spendeneinsatz eingerührt. Mehr zur Spendenaktion mit u.a. 255 Zahnbürsten und 560 Büchern für die Human and Hope Association und weitere Bilder findet ihr hier unter einem weiteren Artikel: http://antser.org/allgemein/2013/01/antser-unterstutzt-hilfsbedurftige-kinder-in-kambodscha/

Nach einer „Einkaufstour“ mit dem Tuk-Tuk

Erste-Hilfe-Box mit Medikamenten und jeder Menge Hygieneartikel

Freude über neue Farbe zur Gestaltung der Klassenräume

 

 



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2 Antworten zu “1 jonglierender Mönch, 2-Felder-Ball und 255 Zahnbürsten”

  • Petra f. sagt:

    Lieber Timo,ich wünsche dir ein glückliches, erfolgreiches 2013 mit noch vielen schönen, spannenden Erlebnissen . Ich freue mich immer sehr über deine Berichte .Nun können wir unseren Kids mitteilen, dass du es geschafft hast in Asien ihr Lieblingsspiel-Völkerball -weiter zu vermitteln. Auch dein erfolgreicher Einsatz als Jongliermeister ist beachtenswert.
    Lasse es dir gut gehen.
    Liebe Grüße Petra

  • Stephan sagt:

    Hej Timo!
    *super Bericht* –
    *klasse Gedanken* –
    *toller Einsatz* –
    Respekt!
    Alles Gute weiterhin in der Ferne!
    Dank dem Blog (Fotos!) bist Du uns ja nahe.
    Lieben Gruß, Stephan
    …und ich will die Hose haben! 😉

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